Schleswig-Holstein

Nord-Ostsee-Kanal

Zwei Weltkriege, Inflation und Weltwirtschaftskrise hatten dem Kanal arg zugesetzt. Uferabbrüche und Steinschüttungen mussten gesichert werden. Nach und nach wurden Schäden an Leitwerken, Schwimmfendern, Brücken und Schiebetoren, Fähren und Schöpfwerken beseitigt. Kaum waren die Kriegsschäden überwunden, musste die Kanalverwaltung große Anstrengungen machen, um dem technischen Fortschritt im Bau von Schiffen, ihren Maschinenanlagen und Navigationseinrichtungen standzuhalten. Vor allem die stark gestiegene Zahl des Schiffsverkehrs (über 80.000/Jahr), verbunden mit der zunehmenden Größe der Schiffe, führte zu einer vermehrten Erosion der unter Wasser unbefestigten Böschungen. So nahmen Zahl und Umfang der Böschungsrutschungen in den Kanal dramatisch zu, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs in unzumutbarer Weise beeinträchtigten.

1961 wurde deshalb mit einem Sicherungs- und Anpassungsprogramm begonnen. Mit einem Investitionsaufwand von knapp 1 Milliarde DM begann die Sicherung des Kanalbettes durch Erweiterung des Querschnittes in der Sohle von 44,0 m auf 90,0 m und im Wasserspiegel von 102,5 m auf 162,0 m. Raum genug für die 232,40 m lange, 33,40 m breite und 6,60 m tiefgehende “Norwegian Dream”, die am 15 Mai 1998 erstmals den Kanal befuhr und das bisher größte Schiff war. Begleitet wurde die “Norwegian Dream” von zahlreichen freundlich winkenden “Sehleuten” am Kanalufer, wie auch die anderen “Traumschiffe”, die ab Mai bis September die Route durch den Nord-Ostsee-Kanal wählen.

Die Transportbedürfnisse und Warenströme haben sich seit der Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals er- heblich geändert. Quell- und Zielgebiete vonGütern, Ladungsarten und folglich Schiffstypen und Schiffs- größen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Waren es um 1960 noch Stückgutlinien- verkehre mit vielen kleinen Frachtdampfern und Motorschiffen, so wird der Nordsee-Ostsee-Verkehr heute von einer geringeren Zahl sehr leistungsfähiger Ro-Ro-Frachter bewältigt. Typische Daten solcher Schiffe waren 2.000 tdw, 2.000 PS, 12 kn - heute sind es dagegen 12.000 tdw, 15.000 PS und 21 kn.

Die technischen Neuerungen und die verhältnismäßig geringe Wegeverkürzung zur Alternative Skagen - im Vergleich: Suez-Kanal 7.000 ersparte Seemeilen, Panama-Kanal 8.000 ersparte Seemeilen-, und auch die hohen Kanalpassagekosten lassen den Kanal für die Reeder immer weniger attraktiv erscheinen. 1962 setzte der NOK mit 85.000 Schiffen und 1985 mit 66 Mio. t Ladung noch seine Rekordmarken, 1995 war nur noch für 43.287 Schiffe die relativ geringe Wegeverkürzung zur Alternative Skagen der kosten- günstigere Weg.

Einnahmen und Ausgaben stehen scheinbar, wie bereits erwähnt, in einem Missverhältnis. Die Bilanz sieht jedoch anders aus, wenn die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals nicht nur in seiner Funktion als Verkehrsweg gesehen wird. Neben 1.500 Beschäftigten in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, 340 Lotsen und 100 Kanalsteuern leben Schiffsmakler, Schiffsausrüster, Reparaturbetriebe, vielfältige Dienstleistungsbereiche, die Lösch- und Ladeplätze sowie Städte und Häfen vom Kanal. So ist der Nord-Ostsee-Kanal der größte Arbeitgeber in Schleswig-Holstein.

Schleswig-Holstein ohne den Nord-Ostsee-Kanal ist nicht mehr denkbar. Er ist prägend für das Landschaftsbild, ein Naherholungs- gebiet für die stress- geplagten Städter und mit seinen beeindruck- enden Brücken und Schleusen- anlagen und dem internationalen Schiffsverkehr, für den Fremdenverkehr ausgesprochen anziehend und fördernd.

73.400 Tonnen verbauter Stahl, knapp 11.500 Meter Gesamtlänge, das sind die Eckdaten der 10 Brücken über den Nord-Ostsee-Kanal. Sie legen Zeugnis von der eindrucksvollen Entwicklung der Brückenbaukunst dieses Jahrhunderts ab. So verschieden sie sind - von der filigranen Bogenbrücke der 1. Brückengeneration bis zur schlichten Hohlkasten-Deckbrücke der 3.  Brückengeneration - gemeinsam haben sie alle die lichte Durchfahrtshöhe von 42 m.

Knapp 18.000 Freizeitschiffer fuhren 1996 durch die Alten (Doppel)Schleusen in Kiel-Holtenau und Brunsbüttel. Zügig schleusen sie in ca. 30 Minuten ihre Jollenkreuzer, Motoryachten, Oldtimer-Segler, "Rennziegen" und Kajütboote durch die seinerzeit weltweit größten Anlagen im Wasserbau: eindrucksvolle 125 m lang, 22 m breit und 9,80 m tief. Abgeschlossen werden die Alten Schleusen durch je vier Torpaare, die sich gegen den jeweils höheren Wasserstand innen und außen stemmen. Schiebetore, die auf Torunterwagen laufen, schließen die Neuen Schleusen ab, die 1914 durch die Kaiseryacht "Hohenzollern" eröffnet wurden. Die großen Schleusen haben eine Nutzlänge von 310 m, eine Nutzbreite von 42 m und eine Tiefe von 14 m.

Auch wenn Schifffahrt und Ladungsmenge zur Zeit eine rückläufige Tendenz haben, wird sich der Nord-Ostsee-Kanal auch in Zukunft behaupten.

Ein Wiedererstarken der Wirtschaftskraft und der ehemaligen Ostblockstaaten Russland, Polen und der baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland und die Notwendigkeit der Verlagerung von Transportkapazität von Straße und Schiene auf die Wasserstraße - from road to sea - wird auch in Zukunft den Bedarf einer leistungsfähigen Wasserstraße zwischen Nord- und Ostsee rechtfertigen.... zurück

Quelle / Fotos: Wasser-, und Schifffahrtsamt Kiel
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