Schleswig-Holstein

"Nun weiß ich aber Bescheid – ihr Pharisäer!"

... eine kleine Geschichte wie der Pharisäer zu seinem Namen kam.

Wohl kaum ein Getränk ist so sehr zu einer Art Nationalgetränk geworden, wie bei uns der "Pharisäer". Und dieser "Pharisäer" hat sogar zwei Besonderheiten: Erstens hat er eine authentische Geschichte, und zweitens gab es 1981 sogar einen richtigen Prozeß um ihn, mit Ortstermin, gerichtlichem Vergleichsschlürfen und richterlicher Entscheidung.

Am 12. Oktober 1872 wurde der "Pharisäer" von dem Bauern Peter Georg Johannsen im Elisabeth-Sophien-Koog auf Nordstrand sozusagen aus einer gewissen seelischen Not heraus erfunden, und das als das siebente Kind der Johannsens auf den Namen Helene Petria getauft wurde. Eine Kindtaufe ohne ein fröhliches –Prost- war damals undenkbar. Doch Nordstrand Seelenhirte, Pastor Georg Bleyer, Taufgast bei den Johannsens, hatte dem Alkohol einen gnadenlosen Kampf angesagt. So war die Taufgesellschaft dazu verurteilt, immer nur Kaffee zu trinken.

Doch Bauer Johannsen hatte auf einmal die rettende Idee: Einen ordentlichen Schuß Rum in eine angewärmte Kaffeetasse geben, mit heißem Kaffee auffüllen, zuckern und (damit dem Pastor nicht das Rum-Aroma in die Nase steigt) dem Ganzen eine dicke Sahnehaube aufsetzen. Aber, so ermahnte er die Mamsell, der Pastor kriegt nur Kaffee! Mit der zunehmenden Fröhlichkeit wurde jedoch Pastor Bleyer immer mißtrauischer. Ganz heimlich langte er nach der Tasse seines Nachbarn, nippte daran, nippte noch einmal und posaunte plötzlich los: "Nun weiß ich aber Bescheid – ihr Pharisäer!". So war nicht nur Helene Petria, sondern auch gleich das neue Getränk getauft worden.

An einem kalten Wintertag, genau 109 Jahre später, kehrte ein Flensburger Zahnarzt in ein Glücksburger Ausflugslokal ein, bestellte für sich und seine Frau zwei originalgetreue Pharisäer, probierte, schüttelte den Kopf und weigerte sich, diesen Pharisäer mit nur 2cl Rum zu bezahlen. Vor dem Amtsgericht sahen sich Wirt und Zahnarzt wieder. Ein Ortstermin, auf dem der Amtsrichter ein Gerichtsreferendar, ein Protokollführer und die Prozeßbeteiligten wechselweise Pharisäer mit 2cl und 4 cl Rum schlürften, wurde anberaumt. Dann erging die Entscheidung: Ein Pharisäer muß "herzhaft" schmecken und "Leib und Seele erwärmen". Dazu reichen 2 cl Rum in einer für den Pharisäer vorgesehenen Kaffeetasse nicht aus. Nun also haben wir es endlich "höchstrichterlich": 2 cl Rum sind (für den Pharisäer) einfach zu wenig!

Stefan in Husum 2006 [Foto: D. Schultz]
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